VERSCHWUNDENE GASTSTÄTTEN

Spargelgerichte auf der Weinlaubterrasse

Die Geschichte von „Haus Schopmans“ in Walbeck begann unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg. Das Lokal war ein fester Anlaufpunkt nicht zuletzt für die Freunde des königlichen Gemüses. Seit Jahren steht das Gebäude leer

VON KLAUS SCHOPMANS

WALBECK Auch Gaststätten haben ihre Geschichte und Geschichten. Könnten sie ihre Geschichten erzählen, gäbe es bei vielen etwas zu lachen oder zu schmunzeln, während andere wiederum Nachdenklichkeit, oder wie im vorliegenden Fall, Betroffenheit beim Zuhören hinterlassen würden. Die Geschichte von „Haus Schopmans“ begann im November 1918, als Jakob Schopmans aus dem Ersten Weltkrieg heimkehrte und die im gleichen Monat verstorbene Patentante Anna Louven ihm das alte Bauernhaus „Cöbkes“ hinterließ. Zum Haus gehörten eine ruhende Schankwirtschaft sowie eine Bäckerei mit Lebensmittelladen und Drogerieabteilung. Für Jakob Schopmans begann nun ein neuer Lebensabschnitt. Im August 1919 heiratete er Christine Deckers. Aus der ehemaligen Bauernkneipe entstand mit der Zeit ein „Café Köbkes“, in dem die Gäste, im Ambiente eines Wiener Kaffeehauses, als Spezialität Blätterteig-Hörnchen mit Buttercreme gefüllt verzehren konnten. Nach dem ersten Umbau des Hauses 1922 ließ das Ehepaar Schopmans 1936 das „Café Köpkes“ zu einer altdeutschen Bauernstube umbauen. Sie gehörte laut „NiederrheinischerVolkszeitung“ seinerzeit zu den „originellsten Gaststuben des ganzen Gelderner Landes“. Heute erinnern nur noch die Fenster, deren Oberlichter Motive aus Jakob Schopmans’ Romanen „Grenzvolk“ und „Fluch über Gelderland“ aufweisen, an die Glanzzeiten des Hauses. Bereits in den 1920er Jahren, als der Spargel im Dorf noch nicht Einzug gehalten hatte, machte Schopmans mit Walter Kolb, dem späteren Oberbürgermeister von Frankfurt am Main, der nach dem plötzlichen Tod Wilhelm Dietzlers (+1927) als kommissarisch eingesetzter Bürgermeister in Walbeck tätig war, Werbung für den Ort. So waren Postkarten mit dem Schriftzug „Luftkurort Walbeck“ im Umlauf und ein Werbeprospekt, in dem touristische Hinweise auf die Schönheiten des Dorfes und seiner Umgebung nachlesbar waren. Als in der ersten Hälfte der 1930er Jahre dann der Spargel in die Walbecker Gastronomie Einzug hielt, blieb die Werbung von Jakob Schopmans, der sich auch als Heimat- und Mundartdichter schon frühzeitig am Niederrhein und darüber hinaus einen Namen gemacht hatte, nicht ungehört. So gehörten Fahrten nach Walbeck zum jährlichen Programm der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“. Die erste Fahrt von Essen nach Walbeck fand am 23. Mai 1937 statt. Der Teilnehmerpreis belief sich auf 5 Reichsmark. Darin enthalten waren die Fahrtkosten sowie „ein Mittagessen, bestehend aus 1 Pfund Spargel, ¼ Pfund gekochten Schinken, Buttersauce und Kartoffeln (gut und reichlich).“ Im Jahr 1939 wurde die Bauernstube noch um eine Weinlaubenterrasse und Gartenwirtschaft erweitert, die nach dem Krieg von Jakob Schopmans’ Schwiegersohn Christian Gooren, talentierter Zeichner und Maler, mit Romanfiguren aus Werken des Dichters, Liedertexten und Brauchtumsrelikten ausgeschmückt wurde. Während des Zweiten Weltkrieges war die Gaststätte zeitweise vom Militär beschlagnahmt. Nach Ende des Krieges verging einige Zeit, ehe die Bauernstube wieder Treffpunkt der Spargelliebhaber wurde. Als das Wirtschaftswunder begann, erlebte „Haus Schopmans“ eine neue Blütezeit. Das Lokal wurde schon früh ein beliebter Treffpunkt für Freunde lukullischer Spargelmahlzeiten von nah und fern. Zahlreiche Besucher aus Deutschland, Europa und Übersee, bekannte und unbekannte, ob Wanderer, Autofahrer, Politiker, Wirtschaftsführer, Schauspieler, Sportler oder Dichterkollegen, Freunde und Bekannte, haben sich im Laufe der Jahre in die Gästebücher des Hauses eingetragen. Darunter findet man unter anderem Eintragungen der Nichte des früheren britischen Premierministers SirWinston Churchill, des Oberleutnants Job von Witzleben, eines Neffen des nach dem Attentat am 20. Juli 1944 hingerichteten Generalfeldmarschalls von Witzleben. Nachdem von 1919 bis 1962 Jakob und Christine Schopmans den Gaststättenbetrieb geführt hatten, übernahm ihre Tochter Irmgard die Leitung des Hauses. Zuletzt wurde die Gaststätte von der Enkelin des Ehepaares Jakob und Christine Schopmans, Cornelia van de Sand, geborene Gooren, zusammen mit ihrem Ehemann Hans-Gerd van de Sand geführt. Sie gaben den Gaststättenbetrieb im Jahr 2009 auf. Im Jahr 2011 gelangte das gesamte Anwesen im Rahmen einer Zwangsversteigerung zum Verkauf. Heute, neun Jahre später, bietet die in die Denkmalliste der Stadt Geldern eingetragene Traditionsgaststätte einen trostlosen Anblick. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Rat und Verwaltung der Stadt Geldern, einbezogen auch die für den Denkmalschutz zuständigen Dienststellen, sind aufgefordert, dem Verfall dieses denkmalgeschützten Gebäudes, dessen Verlust nicht nur für Walbeck unermesslich wäre, Einhalt zu gebieten.

Zu den Fotos:

1. Foto: Das Haus Schopmans in seiner ganzen Pracht in den 1970er Jahren

2. Foto: Das Haus Schopmans im Jahre 1919, als es Jakob Schopmans erbte

3. Foto: Gastwirt und Heimatforscher Jakob Schopmans (recht) bei der Zeitungsleküre in der Weinlaubenterasse. Bild stammt um die 1940er Jahre