Der unvollendete Kanal

Der unvollendete Kanal

Vor fast 400 Jahren begann die spanische Königstocher Isabella Clara Eugenia mit dem Bau eines 50 Kilometer langen Kanals, der Rhein und Maas verbinden sollte. An einigen Stellen ist die „Fossa Eugeniana“ noch zu erkennen.

 

WALBECK In diesen besonderen Zeiten, wenn Kinder nicht zur Schule dürfen, bei vielen Eltern die Arbeit ruht und zudem noch ein Kontaktverbot besteht, Urlaubsreisen einstweilen auf Eis gelegt sind, ist Improvisation gefragt, wie man die unfreiwillige freie Zeit mit Leben füllt. So sieht man in diesen Tagen nicht nur die Hundehalter mit ihren Vierbeinern Gassi gehen, auch viele Familien mit Kind und Kegel trifft man bei seinen Spaziergängen. Der nahe Walbecker Grenzwald mit den großen Baggerseen auf der niederländischen Seite, dazu herrlicher Sonnenschein, sind eine willkommene Gelegenheit, Abstand und Zerstreuung vom allgegenwärtigen Thema Corona-Krise zu finden. Doch es gibt noch mehr zu entdecken rund um das Spargeldorf. Wer seinem Nachwuchs Geschichtskenntnisse direkt vor der Haustüre näher bringen möchte, dem sei ein Abstecher zur „Fossa Eugeniana“ empfohlen. Denn eines der bedeutsamsten Bodendenkmäler des Niederrheins hat auch in Walbeck seine Spuren hinterlassen. Vor fast 400 Jahren begann die in Brüssel residierende spanische Königstocher Isabella Clara Eugenia mit dem Bau eines 50 Kilometer langen Kanals, der von Rheinberg bis Venlo Rhein und Maas miteinander verbinden sollte. Die Zielsetzung war klar: Nachdem man den Niederländern militärisch nicht beizukommen verstand, wollte man deren gesamten Schiffsverkehr unterbinden. Mit der Fertigstellung des Kanals hätten die Spanier den Großteil der Binnenschifffahrt durch ihr Gebiet geleitet. Der erste Spatenstich zu dieser strategisch wichtigen Schifffahrtsstraße erfolgte am 21. September 1626 bei Rheinberg. Zum Baubeginn tobte bereits acht Jahre lang ein Krieg, der schließlich 30 Jahre dauern sollte. Drei Jahre lange arbeiteten 8000 Arbeiter an dem Projekt und fertigten mehrere Teilabschnitte. Dann aber brachten Geldprobleme, schwierige Bodenverhältnisse sowie militärische Erfolge der Gegner, die das Bauwerk immer wieder angriffen, das Projekt im Jahr 1629 vorläufig zum Erliegen. Mit der Eroberung der Städte Venlo und Rheinberg (1632/1633) wurden die Arbeiten endgültig eingestellt, da nun die beiden Endpunkte des Kanals fest in niederländischer Hand waren und somit auch der ursprüngliche Grund für den Bau der „Fossa Eugeniana“ entfiel. Eine Fertigstellung des Kanals hätte für die Niederländer übrigens katastrophale Folgen gehabt, da ganze Landstriche überflutet worden wären. Der Name des Kanals „Fossa Eugeniana“ benannt nach der Königstocher, wurde auch in Walbeck zu einem Begriff. Namen wie die „Grift“, die „Landwehr“, die „Mortelt“, wo die Jugend noch bis in die 1960er Jahre erste Schwimmversuche machte, und natürlich „Lingsfort“, eine noch recht gut erhaltene Schleuse in der Nähe des gleichnamigen Grenzübergangs, sind damit verbunden. Dass in diesen drei Jahren Bauzeit in dem damaligen 700 Seelen zählenden DorfWalbeck zeitweise mehr als 800 Spanier lebten, ist den Menschen heute wohl weniger bekannt. Sie gehörten zu den 3000 Mann, die 1627 auf 48 Schiffen als Schutz für die Lingsforter Schanze hier stationiert waren. Aber nicht nur in Walbeck, wo man „An der Mortelt“ ein Stück entlang des alten Wehrkanals spazieren kann, sind die Überreste der „Fossa Eugeniana“ zu finden. Entlang des über 50 Kilometer langen unvollendeten Verlaufs gibt es von der niederländischen Seite über Straelen, Walbeck, Geldern, Issum, Kamp-Lintfort bis hin nach Rheinberg Wander- und Fahrradwege, auf denen man auf Entdeckungstour gehen kann.